Die
„Materia medica“ des griechischen Arztes Dioskurides Pedanios aus dem 1.
Jh. n. Chr. war über Jahrhunderte das gültige pharmakologische
Standardwerk für Ärzte und Botaniker – davon zeugen die Übersetzungen
ins Lateinische, Arabische, Syrische und Hebräische. Ihre Fassung im
Codex Neapolitanus erfreute sich über die Jahrhunderte einer ähnlichen
Beliebtheit, die die vielen späteren Beifügungen bezeugen, die der Codex
erfahren hat. Entstanden ist er bereits zu Beginn des 7. Jahrhunderts,
wobei sowohl Byzanz als auch Süditalien als Entstehungsort in Frage
kommen. Bestechend sind die 403 Miniaturen der verschiedensten Pflanzen,
deren Namen eine spätere Hand mit roter Tinte hinzugefügt hat. Durch
seine präzisen Angaben war der Codex ein wertvolles Nachschlagewerk für
Botaniker, Ärzte und Pharmakologen. Dieser Charakter wird durch die
alphabetische Anordnung unterstrichen, die die frühere Anordnung nach
therapeutischen Wirkungen der Pflanzen ablöste.
Das berühmteste pharmakologische Standardwerk der Geschichte
Der
Codex Neapolitanus ist einer der ältesten Überlieferungsträger des
bedeutendsten pharmakologischen Werkes der Antike, der Materia medica
des griechischen Arztes Dioskurides Pedanios aus dem 1. Jh. n. Chr. Die
hervorragende Stellung dieser Handschrift ist nicht zuletzt auf die
zahlreichen Pflanzenbilder zurückzuführen, die die genauen botanischen
Beschreibungen detailgetreu veranschaulichen.
Von der großen Bedeutung des Dioskurides als grundlegende Autorität auf
seinem Gebiet zeugt die jahrhundertelange Benützung seines Werkes. Im 6.
Jh. wurde es ins Lateinische übersetzt, und seit dem 9. Jh. gab es
Übersetzungen und Bearbeitungen auch in arabischer, syrischer und
hebräischer Sprache. So blieb die Materia medica bis in die Neuzeit d a s
pharmakologische Standardwerk, welches nicht nur von Ärzten und
Botanikern, sondern auch von an der Pflanzenkunde interessierten Laien
gern gelesen wurde.
Der neapolitanische Codex entstand zu Beginn des 7. Jh.s , wobei es
allerdings nach dem bisherigen Stand der Forschung ungewiss ist, ob in
Byzanz oder Italien. G. Cavallo ist der Ansicht, dass die Miniaturen der
Handschrift jedenfalls ein Produkt des griechischen Kulturschaffens in
Italien sind. Diese insgesamt 403 Miniaturen mit Darstellungen von
Pflanzen vermitteln uns als einzigartige Zeugen die hohe Virtuosität der
Buchmalerei jener Zeit.
Die Miniaturen
Die
Pflanzenbilder des Codex Neapolitanus sind, wie man annimmt, nicht
originale Erzeugnisse der frühbyzantinischen Buchmalerei, sondern Kopien
älterer Vorlagen, die wohl mittelbar auf das Kräuterbuch des Krateuas –
eine Quelle des Dioskurides – zurückgehen und somit Zeugen der
alexandrinischen oder pergamenischen Lehrbuchillustration des 2.–1.
vorchristlichen Jh.s sind.
In didaktisch anschaulicher Weise finden sich in der oberen Hälfte jeder
Rectoseite jeweils eine bis drei Pflanzendarstellungen, die vom
darunterstehenden Text beschrieben werden. Die Versoseiten hingegen sind
zumeist leer oder enthalten nur ergänzende Texte, wodurch eine
gegenseitige Beeinträchtigung der Bildkompositionen durch das
Durchschlagen der Farben vermieden wurde.
Die Schriftart ist die sog. Bibelmajuskel, die eine quadratische
Buchstabenform aufweist und sich durch gute Lesbarkeit auszeichnet. Auch
durch die Gliederung des Textes in zwei Spalten wird die Lesbarkeit
unterstützt. Unter den Pflanzenbildern sind von späterer Hand die
Pflanzennamen mit roter Tinte hinzugeschrieben worden, wodurch die
Übersichtlichkeit gewahrt wurde. Spätere Beifügungen überall in der
Handschrift zeugen von der hohen Wertschätzung des Neapolitaner Codex,
der durch Jahrhunderte hindurch häufig benutzt wurde. Auch heute noch
wird Dioskurides im Zusammenhang mit bestimmten Pflanzen und
Medikamenten genannt.